Softwarevalidierung im pharmazeutischen Umfeld

Softwarevalidierung im pharmazeutischen Umfeld – rechtliche Rahmenbedingungen

Falls Software in kritischen Prozessen bei der Produktion oder im Vertrieb von Arzneimitteln eingesetzt wird, haben die Unternehmen besondere Anforderungen zu erfüllen. Dieser Artikel erklärt die Anforderungen an elektronische Dokumentationssysteme im pharmazeutischen Produktionsumfeld aus regulatorischer Sicht und stellt im zweiten Teil eine Möglichkeit vor, wie diese Anforderungen erfüllt werden können.
Die beschriebene Vorgehensweise ist nur als Vorschlag zu sehen, der immer mit den exakten rechtlichen Rahmenbedingungen und den Qualitätsvorgaben des jeweiligen Unternehmens abgestimmt werden muss.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Für deutsche oder europäische pharmazeutische Herstellbetriebe gelten die Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens. Insbesondere der Anhang 11 beschreibt die Vorgaben für Softwarevalidierung. In Deutschland sind die EU-Richtlinien 1991/412/EWG und 2003/94/EG in Form des AMG und der AMWHV in nationales Recht überführt worden und bilden hier den regulatorischen Rahmen.
Für andere am Verkehr mit Pharmazeutika beteiligte Unternehmen können spezielle weitere Regularien, wie z. B. GDP: Good Distribution Practice (Grundlage: Richtlinie 2013/C 343/01) oder GCP: Good Clinical Practice (Grundlage: Richtlinien 2005/28/EG und 2001/20/EG) relevant sein. Da die grundlegenden Anforderungen der speziellen Regularien an die Validierung von Software nahezu deckungsgleich mit den Anforderungen der Good Manufacturing Practice sind, wird auf diese Spezialfälle in den weiteren Ausführungen nicht näher eingegangen.
Sollte Ihr Unternehmen Pharmazeutika oder Medizinprodukte in die USA exportieren oder an der Herstellung von in den USA vertriebenen Arzneimitteln oder Medizinprodukten beteiligt sein, sind auch die cGMP-Vorgaben der US Food and Drug Administration zu beachten. Insbesondere die Parts 11, 210, 211 und 820 des Code of Federal Regulations sind heranzuziehen. Das kleine „c“ steht bei der Abkürzung cGMP für current, da diese Regularien regelmäßig einmal jährlich auf Aktualität überprüft werden.

Vorgaben innerhalb der EU: EU-GMP-Leitfaden insbesondere Anhänge 11 und 15

Der EU-GMP-Leitfaden gibt den regulatorischen Rahmen für pharmazeutische Unternehmen innerhalb der Europäischen Union vor. Der Annex 11 zum EU-GMP-Leitfaden beschreibt in 17 Kapiteln die Anforderungen über die Projektierung und den Betrieb bis hin zu Änderungskontrollen von Computersystemen im GMP-Umfeld. Ein zusätzlicher Auslegungshinweis für den Annex 11 liegt in Form der APV-Richtlinie „Computergestützte Systeme“ vor. Der Annex 15 des EU-GMP-Leitfadens definiert darüber hinaus die grundsätzliche Systematik und die Anforderungen an die Qualifizierung und Validierung innerhalb des Unternehmens.

Vorgaben innerhalb der USA: Code of Federal Regulations Title 21 (21 CFR), Food and Drugs

Die zu dem Code of Federal Regulations Title 21 der US-amerikanischen Food and Drug Administration gehörenden Artikel (Parts) 11, 210, 211 und 820 sind besonders bedeutsam für Computerisierte Systeme. In diesen Parts werden neben den allgemeinen Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme unter anderem die speziellen Anforderungen an die Manipulationssicherheit von elektronische Aufzeichnungen und an elektronische Unterschriften geregelt.

Technische Richtlinien

Neben den rechtlichen Anforderungen existieren noch etliche technische Richtlinien, die die teilweise etwas unkonkreten Forderungen der gesetzlichen Regelungen präzisieren. Bei den technischen Richtlinien handelt sich um kein rechtlich bindendes Regelwerk, sie bieten aber in vielen Fällen eine gute und konkrete Hilfestellung für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. In diesem Artikel werden die für Computersysteme relevanten technischen Richtlinien der PIC/S, ICH und ISPE berücksichtigt.

PIC/S: Good practices for computerized systems in regulated “GxP” environments (PI 011)

Die PIC/S (Pharmaceutical Inspection Cooperation Scheme) hat das Ziel, weltweit harmonisierte GMP-Standards und Richtlinien zu entwickeln und zu verbreiten. Für Computersysteme und Software ist das PIC/S-Dokument PI 011 besonders relevant. Ein Großteil des PIC/S-Dokuments PI 011 ist jedoch schon in den aktuellen EU-Good Manufacturing Practice-Leitfaden eingeflossen.

ICH: Q10 Pharmaceutical Quality System

Das International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) hat mit seinem Leitfaden „ICH Q10 Pharmaceutical Quality System” die grundlegenden Anforderungen an ein pharmazeutisches Qualitätsmanagementsystem umfassend definiert, deren Teil eine Qualitätsmanagementsoftware ist.

GAMP-5-Leitfaden „A Risk-Based Approach to Compliant GxP Computerized Systems“

Die International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) hat im Februar 2008 den GAMP-5-Leitfaden „A Risk-Based Approach to Compliant GxP Computerized Systems“ vorgestellt. Der GAMP-5-Leitfaden stellt eine Empfehlung für den GxP-konformen Einsatz computergestützter Systeme und Software dar. Der GAMP 5-Leitfaden bietet außerdem einen pragmatischen Ansatz für die Software-Validierung.

Übersicht über die rechtlichen Regelungen und technischen Richtlinien

Die nachfolgende Tabelle bietet Ihnen eine Übersicht über die aus unserer Sicht relevanten rechtlichen Regelungen und technischen Richtlinien, die für die Softwarevalidierung zu berücksichtigen sind.

Vorgabe Organisation Titel Art Geltungsbereich
21 CFR Part 11 U.S. Food and Drug Administration Electronic records, electronic signature Gesetzliche Regelung Exporteure von Arzneimitteln für den US-amerikanischen Markt oder sonstige am Herstellungsprozess beteiligte Unternehmen
21 CFR Part 210 U.S. Food and Drug Administration Current good manufacturing practice in manufacturing, processing, packing, or holding of drugs; General Gesetzliche Regelung Exporteure von Arzneimitteln für den US-amerikanischen Markt oder sonstige am Herstellungsprozess beteiligte Unternehmen
21 CFR Part 211 U.S. Food and Drug AdministrationU.S. Food and Drug Administration Current good manufacturing practice for finished pharmaceuticals Gesetzliche Regelung Exporteure von Arzneimitteln für den US-amerikanischen Markt oder sonstige am Herstellungsprozess beteiligte Unternehmen
21 CFR 820 U.S. Food and Drug AdministrationU.S. Food and Drug Administration Quality System regulations Gesetzliche Regelung Exporteure von Arzneimitteln für den US-amerikanischen Markt oder sonstige am Herstellungsprozess beteiligte Unternehmen
EU-GMP-Leitfaden Europäische Kommission Good Manufacturing Practice (GMP) guidelines Gesetzliche Regelung Europäische Union
Annex 11 zum EU-GMP-Leitfaden Europäische Kommission Computerised Systems Gesetzliche Regelung Europäische Union
Annex 15 zum EU-GMP-Leitfaden Europäische Kommission Qualification and Validation Gesetzliche Regelung Europäische Union
GAMP 5 International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) GAMP 5: A Risk-Based Approach to Compliant GxP Computerized Systems Technische Richtlinie Weltweit
PI 011-3 Pharmaceutical Inspection Co-operation Scheme
(PIC/S)
Good practices for computerized systems in regulated “GXP” environments Technische Richtlinie Weltweit
ICH Q10 International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) Good practices for computerized systems in regulated “GXP” environments Technische Richtlinie Weltweit

Validierung von computerbasierten Systemen

Eine grundsätzliche Forderung aller rechtlichen Regularien ist die Validierung der verwendeten kritischen computerbasierten Systeme. Als kritische Systeme werden hierbei unter anderem computerbasierte Systeme zur Abbildung von Qualitätsmanagementsystemen, zur Speicherung von klinischen Daten oder Steuerung von Herstellprozessen angesehen.
Eine Validierung betrifft immer das gesamte Computerisierte System. Als Computerisiertes System wird das komplette System bestehend aus Software, Hardware, Netzwerkinfrastruktur und der spezifischen Bedienung innerhalb des Unternehmens definiert.

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Übersicht Computerisiertes System

Computerisiertes System

Eine Software kann aus diesem Grund nicht ohne eine entsprechende Berücksichtigung der Arbeitsumgebung validiert werden. Die Validierung einer Software out of the box ist also prinzipiell nicht möglich, auch wenn manche Softwarehersteller das immer noch behaupten. Da die rechtlichen Anforderungen an die Validierung das Unternehmen betreffen, welches die Software einsetzt und einige Bestandteile des Computerisierten Systems außerhalb des Einflusses des Softwareherstellers liegen, ist das Unternehmen auch grundsätzlich verantwortlich für den Validierungsansatz. Die Planung der Validierung basiert außerdem grundsätzlich auf der Risikobetrachtung des Unternehmens, das die Software nutzen möchte. Eine Validierung ist auch immer abhängig von den in der Software gespeicherten kritischen Informationen. Vor der produktiven Nutzung eines kritischen Computerisierten Systems in einem pharmazeutischen Unternehmen muss die Validierung abgeschlossen und regelkonform dokumentiert sein.

Softwarevalidierung

Die Validierung soll die Eignung des Systems für den geplanten Einsatzzweck und die Einhaltung der anzuwendenden Vorschriften belegen. Durch eine Qualifizierung wird innerhalb des Validierungsansatzes überprüft, ob die implementierte Software auch wie geplant arbeitet.
Der Leitfaden der „Guten Herstellungspraxis Teil I“ definiert die Begriffe Validierung und Qualifizierung folgendermaßen:

  • Validierung
    „Beweisführung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis, dass Verfahren, Prozesse, Ausrüstungsgegenstände, Materialien, Arbeitsgänge oder Systeme tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen.“
  • Qualifizierung
    „Beweisführung, dass Ausrüstungsgegenstände einwandfrei arbeiten und tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen. Der Begriff Validierung wird manchmal um das Konzept der Qualifizierung erweitert.“

Nach der Vorstellung des rechtlichen Rahmens geht es im zweiten Teil des Artikels weiter mit, der Vorstellung des Validierungsansatzes nach dem GAMP 5-Modell.